Jahresbericht Präsident SZSV

Das innovativste Land der Welt hat Mühe mit politischen Reformen

Die Schweiz gilt weiterhin als das innovativste Land der Welt. Im «Global Innovation Index 2015» der Weltorganisation für geistiges Eigentum belegt die Schweiz wie bereits im Vorjahr den ersten Rang. Was macht die Wirtschaft besser als die Politik? Oder warum tun wir uns mit politischen Reformen bisweilen so schwer? Im letzten Jahresbericht hoffte ich noch auf einen Abschluss der WEA (Weiterentwicklung der Armee) im Herbst 2015. Nun müssen wir froh sein, wenn wir die WEA in der Frühjahrssession in der Schlussabstimmung durchbringen. Die Umsetzung wird sich damit weiter verzögern und die Armee wird mit den neuen Strukturen nicht vor 2021 voll operationsfähig sein – wenn denn wirklich voll und modern ausgerüstet. Das wird der Dynamik der sich schnell verändernden Sicherheitslage in und um Europa nicht gerecht. Exemplarisch vor Augen geführt wurde und wird uns das mit der anhaltenden Flüchtlingswelle, die das Potenzial hat, ganz Europa politisch und in der Folge auch wirtschaftlich zu destabilisieren. Nicht unterschätzt werden dürfen die gesellschaftlichen Gräben, die sich gleichsam auftun. Keine Frage, dass das rasch zu sozialen Unruhen führen könnte.

Neue Herausforderungen für den Zivilschutz zeichnen sich deutlich ab.

Die engen personellen Ressourcen der künftigen Armee reichen in Zukunft nicht mehr für flankierende Aufgaben im Sicherheitsbereich. Der Zivilschutz wird sowohl als Dienstleister als auch mit einer eigenständigen Agenda im Sicherheitsbereich eine zentrale Rolle übernehmen – übernehmen müssen. Die horizontale und vertikale Vernetzung aller Sicherheitskräfte muss deutlich forciert werden. Wünschbares allein genügt nicht mehr. Erfreut konnte ich bei Besuchen von kantonalen oder regionalen Zivilschutzorganisationen feststellen, dass in der Basis hervorragende Arbeit geleistet wird, die Zusammenarbeit zwischen Zivilschutz und Feuerwehr auf hohem Niveau funktioniert und der Wille für eine hohe Leistungsbereitschaft vorhanden ist. Dass neue Aufgaben, wie die temporäre Betreuung von Asylanten, mit grossem Engagement und erstaunlicher Professionalität erfüllt wurden. Jetzt müssen eigentlich nur noch der Reformwille von unten und die Strategie Bevölkerungsschutz und Zivilschutz 2015+ miteinander verknüpft werden. Es würde mich ausserordentlich freuen, wenn Bund und Kantone die angedachten Reformen rasch und beispielhaft umsetzen.

Wer im Hinblick auf das gemeinsame Ziel über den eigenen «Garten» hinausblickt, zeigt Stärke!

Dass die Reform gelingt, ist unter anderem auch die Aufgabe des SZSV. Wir werden unseren Beitrag leisten und ich lade alle dazu ein, an ihrem Platz mit ihrer Verantwortung und ihrem Wissen mitzuhelfen. Die Grundlagen sind erstellt, die Ziele formuliert. Die Umsetzung Strategie Bevölkerungsschutz und Zivilschutz ging in die fachliche Konsultation. Für den Zivilschutz sind folgende Zielsetzungen formuliert:

  • Das Leistungsprofil, die Bestände und die Organisation des Zivilschutzes sollen überprüft und angepasst werden. Das Leistungsprofil soll aus einem gesamtschweizerisch einheitlichen Basisleistungsprofil und zusätzlichen Spezialisierungen bestehen. Davon sind die künftigen Bestände des Zivilschutzes abzuleiten.
  • Als Ergänzung zu den Zivilschutzorganisationen auf Stufe Region und Kanton sollen interkantonale Zivilschutz-Stützpunkte geschaffen werden. Diese Stützpunkte sollen zusätzliche spezialisierte Leistungen des Zivilschutzes erbringen, die nicht jeder Kanton selber erfüllen kann, und Material erhalten, das nicht jeder Kanton selber beschaffen kann.
  • Um interkantonale und gesamtschweizerische Einsätze zu ermöglichen, sollen Interoperabilitätskriterien für den Zivilschutz festgelegt werden.
  • Das Dienstleistungs- und Ausbildungssystem soll überprüft und angepasst werden. Angleichung der Diensttage an die Armee und eine Vereinfachung der Ausbildungsarten.
  • Für den Einsatz bei Extremereignissen soll geprüft werden, wie der Zivilschutz verstärkt werden kann.

Der SZSV wurde zur fachlichen Konsultation eingeladen und ich erwähne einzelne Positionen:

  • Wir begrüssen die Zielsetzung, dass der Zivilschutz rasche Einsatzelemente (innert 1h) bilden soll. Zwei Punkte sind für uns wichtig: Die Aufgebotszeiten und Formationsgrössen müssen zwingend auf die lokalen und regionalen Leistungsaufträge abgestimmt sein. Dass künftig AdZS rasch zu Einsätzen aufgeboten werden können, ist zu begrüssen, benötigt aber zwingend ein Umdenken bei den Arbeitgebern, den Rekrutierungszentren und bei der Grundausbildung. Der angedachte «Kulturwechsel» muss aktiv gefördert werden.
  • Nach anfänglicher Skepsis sind wir der Meinung, dass eine überregionale Zusammenfassung von Aufgaben mit interkantonalen Stützpunkten Sinn macht. Dabei sind aber noch einige Fragen zu klären. Wer hat Vorrang bei Rekrutierung und Einsatz? Kann das Potenzial der IKS genutzt werden, wenn die Ausrichtung auf nur ein Fachgebiet vorgesehen ist? Besteht nicht die Gefahr eines Zweiklassenzivilschutzes? Für den SZSV müssen die offenen Fragen geklärt werden. Dazu stellen wir folgende Forderungen: Die interkantonalen Stützpunkte müssen durch den Bund finanziert werden. Es sind keine reinen IKS-Formationen zu bilden, sondern geforderte Leistungen sind per Leistungsauftrag an kantonale Formationen oder grosse Städte zu delegieren. Die Einteilungshoheit bleibt bei den Kantonen.

Dies nur ein kleiner Auszug unserer Positionen. Wir wollen letztlich damit zu einer konstruktiven und mehrheitsfähigen Lösung beitragen. Nur wenn alle Beteiligten ihre Positionen offen einbringen, können die Vor- und Nachteile gewertet und einander gegenüber gestellt werden. Unsere Aufgabe ist es nicht, Bestehendes zu bewahren, sondern die Interessen der Bevölkerung bei Sicherheit, Schutz und Rettung bestmöglich zu erfüllen.

Walter Müller

Präsident SZSV

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