Andere Gedanken – oder unbequeme Wahrheiten?

Andere Gedanken – oder unbequeme Wahrheiten?

Wie kommt es dazu, dass mitten in der Fahrt des Wohlstandes das Volk die Notbremse zieht und damit den Wirtschaftsmotor blockiert, indem es ihm – sozusagen – das Schmiermittel entzieht? Aus der Physik wissen wir, dass es dadurch zu Reibung, Wärme, Hitze bis zur Blockade kommen kann.
Ein paar andere Gedanken dazu.

Unsere Europapolitik wird innenpolitisch nicht mehr getragen. Die Abstimmung vom 9. Februar 2014 hat nicht zuletzt ein innenpolitisches Problem aufgedeckt. Kaum jemand von den Befürwortern der Volksinitiative „gegen Masseneinwanderung“ will die bilateralen Verträge mit der EU killen – und trotzdem hat der Ausgang der Abstimmung diese Wirkung. Nur wenige wollen keine ausländischen Arbeitskräfte – trotzdem kommt in der EU die Botschaft so an.

Was sind die möglichen Ursachen und Schlussfolgerungen daraus? Uns fehlt eine mit der Aussenpolitik kohärente Innenpolitik. Die Innenpolitiker fehlen sowohl im Parlament wie im Bundesrat. Vermutlich denken Sie jetzt, dass ich völlig übertreibe. Fast alle Kommissionen und fast alle Departemente kümmern sich um einen Teil – ich betone: einen Teil – der Innenpolitik. Ja, es gibt sie, die Gärtchenpfleger, die Giesskannenmanipulierer, die Etatisten, die Zentralisten und die Regulierer. Natürlich gibt es auch gute Entscheidungen, das wissen wir alle, sodass ich das nicht speziell erwähnen muss. Aber letztlich geht es um die zentrale Frage: Wer kümmert sich um die Zusammenhänge, das föderale Gleichgewicht, die Subsidiarität, um die Grenzregionen, um das Tessin, den nationalen Zusammenhalt? Gerade die Versäumnisse in zentralen und grundsätzlichen Fragen von innenpolitischem Interesse und die zunehmende Machtverschiebung nach Bern haben, denke ich, in den Regionen bei der Bevölkerung ein Gefühl der Ohnmacht und ein Gefühl, dass Handlungsoptionen fehlen, ausgelöst. Wie oft haben wir in den vergangenen Jahren über Migrationsprobleme gesprochen und den Bundesrat zum Handeln aufgefordert? Wie oft hat das Tessin schon in Abstimmungen manifestiert, dass da ein akutes Problem vorhanden ist und nichts oder fast nichts geschieht?

Hätten wir besser hingeschaut und gehandelt, hätte wohl der Volkszorn nicht den zentralen Nerv unserer Aussenpolitik getroffen. Es geht also gerade nicht um weitere Regulierungen, wie das die Gewerkschaften und Linken propagieren. Nicht die Fremden haben uns die Schweiz entfremdet – das haben wir mit unserer Politik, dem Abbau des Föderalismus, einer überbordenden Regulierungswut, der Vernachlässigung der Subsidiarität und mit dem Verzicht auf Bescheidenheit selber geschafft. Der zunehmend zentralistische Einheitsbrei lässt den Grenzregionen, Städten, Agglomerationen und Bergkantonen nicht die notwendigen Handlungsspielräume, mit denen sie auf ihre besonderen Herausforderungen selber reagieren könnten. Solche Handlungsspielräume lösen noch bei Weitem nicht alle Probleme, aber die Verhältnisse zeigen doch klar auf, dass Aussenpolitik und Innenpolitik in gegenseitiger Abhängigkeit stehen. Gefragt ist jetzt besonnenes Handeln in der Aussenpolitik, eine Konzentration auf das Wesentliche und eine ebenso beherzte Innenpolitik, die hinschaut und handelt. Wenn der Bundesrat eine Task Force für die Aussenpolitik einsetzt, dann muss die gleiche Priorität bei der Innenpolitik gesetzt werden.

Nehmen wir die Abstimmung vom 9. Februar als Anlass zur Erneuerung des Prinzips Schweiz. Ein gestärktes Vertrauen in unsere Institutionen, weniger Egoismus und mehr gesellschaftliche Rücksichtnahme machen unsere Aussenpolitik wieder mehrheitsfähig. Die FDP wird alles daran setzen, dass mit einem gestärkten innenpolitischen Vertrauen die wirtschaftlich wichtigen bilateralen Beziehungen zur Europäischen Union erfolgreich in die Zukunft geführt werden können. Wer die Macht, oder besser gesagt, das Diktat der Strasse verhindern will, muss die Signale aus der Bevölkerung ernst nehmen und handeln. Machen wir uns auf den Weg der Erneuerung des Prinzips Schweiz.

<< zurück zu den Kernthemen